4 Sep, 2013
by KIKI
Author:
KIKI
Society - Buchrezension

 

 

Ich habe das Buch „Kunst hassen“ an einem Nachmittag Ende August gelesen, es ist kurzweilig und hat mir sehr gut gefallen!

 

Ich war neugierig und gespannt, weil es das erste Buch einer alten Freundin von mir ist. Gleichzeitig bin ich, abgesehen von meiner natürlichen Skepsis, auch durch meine Erfahrungen und Verbindungen mit der Kunst vorbelastet. Meine Großeltern mütterlicherseits waren beide Maler in Hamburg und haben immer am Existenzminimum gelebt. Durch meine Mutter habe ich schon früh Ausstellungen besucht, später war eine Auseinandersetzung insbesondere mit politischer Kunst immer von Kritik und eigener Meinungsbildung geprägt. Oft finde ich gerade die alten Meister oder andere Ikonen langweilig, weil man sie so häufig sieht und ich mir lieber selbst ein Bild mache, als mich auf Kritiken zu verlassen. Ich stand dem Titel "Kunst hassen" deshalb etwas skeptisch gegenüber, weil ich der Meinung bin, dass er sich nur als Aufforderung für ein Mainstreampublikum verstehen kann. Meine Angst war, dass ein einseitiges Bild auf die Kunst und jenen kommerziellen Kunstbetrieb gegeben wird, den es zweifellos gibt, der aber, wie auch in den meisten anderen gesellschaftlichen Bereichen, der Gesamtheit der Kunst nicht gerecht würde. Meine Freundin, die mich immer wieder mit ihren ruhigen Äußerungen begeistert, sagte, als ich Ihr von dem Buch erzählte: "Kunst gab es schon immer und wird es immer geben, ich halte nichts von schwarz und weiß, man kann Kunst nicht nur hassen.". Meine Freundin hat in Berlin Kunstgeschichte studiert und lebt und arbeitet seit drei Jahren in der Schweiz. Ihre Magisterarbeit schrieb sie über eine iranische politische Künstlerin, promovieren tut sie über einen relativ unbekannten aber sehr spannenden schweizer Künstler. Zusammen haben wir in den letzten acht Jahren unzählige Ausstellungen auf der ganzen Welt besucht und etliche Künstler, insbesondere politische kennengelernt. Institutionelle Kunst, Elitekunst und große Gallerien sind dabei immer nur ein Teil dessen gewesen, was uns interessiert.

 

Aber nun zu dem Buch „Kunst hassen“: Ich gehe mit der Autorin Nicole Zepter bei fast allem, was sie sagt, konform. Ich verstehe den Titel jetzt richtig, gerade weil sie schon zu Beginn sagt, dass sie sich dem Thema nicht wissenschaftlich oder kunsthistorisch nähert. Auf charmante Art und Weise stellt sie sich im Laufe des Buches auf die Seite des normalen Publikums, macht aber durch ihre Vergleiche, Zitate und Interviews immer wieder deutlich, dass sie sich auseinandersetzt, kritisiert und selbstständig urteilt und sie nicht nur eine Art Antihaltung gegen den Mainstream einnimmt. Nicole Zepter schafft es geschickt, das Kunstpublikum und Institutionelle oder Künstler gleichermaßen aufzufordern, Ihre Rolle zu überdenken und sich auf das zu besinnen, was Kunst eigentlich ausmacht: Vielfalt und freie Meinungsäußerung. Sie bringt die verfahrene Situation des Kunstmarktes gut auf den Punkt und liefert schlüssige Erklärungen, insbesondere die Abhängigkeit in einem pervertierten kapitalistischen System. Ich mag, wie die Autorin dem Direktor des Hamburger Bahnhofs mit ihren Fragen auf den Zahn fühlt und wie sie jenen der Deichtorhallen entlarvt, ohne ihn völlig bloßzustellen. Ich mag, wie Zepter unprätentiös schreibt und doch substantiiert und überzeugend darlegt. Ich mag das Buch, weil es zwar verallgemeinert, aber diese Verallgemeinerung angemessen ist, zu krank ist das ganze System. Es ist allerdings auch nur ein Spiegel unserer Gesellschaft und daher nicht unbedingt neu. Wichtig finde ich es jedoch, genau das auch auszusprechen oder es als Buch zu veröffentlichen. Ich finde es unabdingbar, auch etwas schlecht zu finden, dies zu äußern und Konsequenzen daraus zu ziehen. Es ist wichtig, mutig zu sein, selbständig zu sein, eine eigene Meinung zu haben. Dafür wirbt Zepter in ihrem Buch, das finde ich schön. Außerdem kann man nur hassen, wenn man auch liebt, diese Leidenschaft insbesondere gegenüber der Kunst wird in ihrem Buch deutlich.

 

Ich gratuliere ihr zu dem Buch!

 

Das Buch ist im Klett-Cotta Verlag als gebundene Ausgabe für 12 € oder als ebook für 9,99 € oder bei Amazon erhältlich. Ich selbst habe es als ebook bei Klett-Cotta geladen, weil ich es wichtig finde, kleinere Verlage und Buchhandlungen zu unterstützen.

 

Nicole Zepter, geboren 1976, studierte Philosophie, bevor sie sich als Journalistin selbständig machte. Sie arbeitete als Chefredakteurin eines großen deutschen Magazins und für die Süddeutsche Zeitung. Sie lebt in Berlin.

 

Viel Spaß beim Lesen!

 

KIKI